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Bestandsbeschreibung

Bestand: Brune, Paul

Bestandsname
Brune, Paul

Bestandskürzel
Brune, Paul

Provenienz
Brune, Paul

Bestandsbildner
Paul Brune, geboren am 24. März 1935 in Altengeseke, gestorben am 17. März 2005 in Bochum, ist eines der sehr wenigen Opfer nationalsozialistischer Gewalt, das die NS-„Euthanasie“ überlebten.
Im Anschluss an den Versuch seiner Mutter Paula Brune, sich und ihren Kindern am 12. März 1936 das Leben zu nehmen, wurde Paul Brune am 19. März 1936 in das Katholische Waisenhaus in Lippstadt eingewiesen. Zum Schutz der Mutter erklärte die Verwandtschaft Paula Brune – es drohte ihr die Todesstrafe – als an Epilepsie erkrankt. Paula Brune wurde daher in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Josef Sasse, der Lehrer und Rektor der Volksschule in Lippstadt, zeigte seinen Schüler Paul Brune auf der Grundlage dieser Geschichte bei den Behörden an. Ohne jede medizinische Diagnose und ohne rechtliche Grundlage wurde Paul Brune schließlich in die sogenannte Kinderfachabteilung der Provinzial-Heilanstalt Aplerbeck bei Dortmund gebracht. Am 3. September 1943 wurde Paul Brune in die psychiatrische Anstalt St. Johannis Stift in Niedermarsberg verlegt. Die Kapitulation des „Dritten Reiches“ am 8. Mai 1945 mündete nicht in die Befreiung der Heime und Psychiatrien in Deutschland. Paul Brune blieb weiterhin unrechtmäßig eingesperrt. Am 17. September 1953 wurde er nach Münster verlegt. Ehe er endgültig entlassen wurde, war er von 1953 bis 1957 zwangsweise in der Landwirtschaft tätig.
In den 1960er und 1970er Jahren holte Paul Brune die ihm versagte Bildung nach. Er besuchte die Abendschule in Essen und schloss am 7. Juni 1971 das Abitur ab. Von 1971 bis 1977 studierte er Germanistik, Philosophie und Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum. Das erste Staatsexamen legte er am 14. November 1978 mit einer von Jürgen Link betreuten Examensarbeit über die „Aspekte des Komischen bei Bertolt Brecht“ ab. Schließlich qualifizierte er sich für das Lehramt im Staatsdienst. Von 1982 bis 1984 war Paul Brune als Referendar am Gymnasium im Loekamp in Marl tätig und schloss am 19. Januar 1984 sein zweites Staatsexamen ab. Eine Einstellung in den Schuldienst erfolgte nicht. Stattdessen war er über längere Jahre arbeitslos. Zwischenzeitlich war er immer wieder als Dozent an der Volkshochschule in Mühlheim an der Ruhr tätig an.
Der Kampf um die öffentliche und offizielle Anerkennung des ihm zugefügten Leids und des ihm zugetanen Unrechts blieb über Jahrzehnte ohne Erfolg. Erst in den 1980er Jahren erfuhr seine Lebensgeschichte im Zuge der beginnenden historischen Forschung und der öffentlichen Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in der Bundesrepublik größere Aufmerksamkeit. Am 19. Januar 2003 wurde eine von Paul Brune eingereichte Petition vom Landtag Nordrhein-Westfalen positiv beschieden und Paul Brune offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Die Dokumentarfilmer Robert Krieg und Monika Nolte veröffentlichten im März 2005 einen Dokumentarfilm über Paul Brune; im selben Jahr wurde der Film „Lebensunwert“ erstmalig bundesweit von der ARD ausgestrahlt.

Inhalt
Der Bestand gliedert sich nach biographischen Schwerpunkten. Einen ersten Schwerpunkt bilden private Zeugnisse und Unterlagen, offizielle Dokumente sowie der Schriftverkehr mit Behörden. Einen zweiten Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung Paul Brunes mit seiner widerrechtlichen Einsperrung, mit der Darstellung seiner Lebensgeschichte sowie seine eigenen Studien und Recherchen zur Geschichte von Eugenik, Rassismus und Medizin im Nationalsozialismus und in der Bunderepublik Deutschland.

Gesamtlaufzeit
1901-2015

Umfang
2 Laufmeter

Erschließungszustand
Der Bestand ist vollständig erschlossen.

Ordnungsgrundsätze
Die Ordnung des Bestandes ist vom Archiv nachträglich angelegt worden und orientiert sich an überlieferten thematischen Gesichtspunkten der Unterlagen.

Zugänglichkeit
Der Bestand ist in Teilen einsehbar; Materialien, die personenbezogene Daten enthalten, können nicht eingesehen werden.

Weitere Informationen
Ein Dossier mit Sachinformation, Literaturhinweisen und einer Auswahl von digitalisierten Originaldokumenten steht hier zur Verfügung: Zum Dossier.